Über Sinn und Beruf – Kann man mit einer Design- Agentur die Welt verändern? Ein Interview mit Lars Schönbörner

Roman Kaess

Lars Schönbörner ist Mitinhaber der Agentur MAJORMAJOR mit Sitz in Stuttgart. Da die Arbeit ihn vor einigen Jahren in eine Sinnkrise geführt hatte, wollte er das Unternehmen bereits verlassen. Die Umstellung hin zu einer Sinnorientierung führte jedoch zu einer völlig neuen Arbeitsweise und Motivation. Ein Gespräch über Sinnhaftigkeit im Job, zukunftsgerichtetes Marketing und die Effektivität von Purpose-Workshops.

Hallo Lars. Wie sieht eure Agentur heute aus?

Wir sind ein Kommunikationsdienstleister, der ausschließlich mit Kundengruppen im Bereich Social Entrepreneurship zusammenarbeitet, deren Unternehmenszweck darauf abzielt, die Welt zu verbessern. Im Gegensatz zu einer klassischen Agentur suchen wir uns unsere Kund*innen aus und arbeiten für Unternehmen, von denen wir überzeugt sind, dass diese durch ihr Handeln einen positiven Beitrag für Gesellschaft und Umwelt leisten. Beispiele für unsere Kunden sind die Impact-Investment Firma SAGANA, das Stuttgarter Festival für Kreislaufwirtschaft future. positive oder der Verein Social Entrepreneurship Baden-Würtemberg e.V..

Die Sinnorientierung eurer Agentur hat sich erst in den letzten Jahren geändert. Vorher hast du eine klassische Werbeagentur mit zwischenzeitlich vier Angestellten geleitet und davon leben können. Warum hat dich die Tätigkeit dennoch in eine persönliche Krise geführt?

Die Arbeit frustrierte mich zunehmend, da ich einen starken Widerspruch gespürt habe, zwischen meiner persönlichen Einstellung und meiner beruflichen Tätigkeit. Einerseits erkannte ich die Problematik unseres kapitalistischen Systems, welches auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert und dass sich daran etwas ändern muss. Andererseits trieben wir als Kommunikations-Agentur dieses System in vorderster Linie mit an. Wir produzierten Werbung und sorgten dafür, dass sich Produkte besser verkaufen. Auch der eigene finanzielle Erfolg war mir irgendwann zuwider und ich sabotierte mich zunehmend selbst, weil ich es ablehnte, viel Geld mit Marketing machen zu wollen. Mein Mitgründer Thomas Beerwart und ich wollten Spaß an der Arbeit haben, gut davon leben können und so wenig wie nötig im kapitalistischen Spiel mitspielen. Aber genau darin lag die Problematik: bei etwas nicht mitzumachen ist keine Zielsetzung mit der sich viel verändern lässt.

„Auch der eigene finanzielle Erfolg war mir irgendwann zuwider und ich sabotierte mich zunehmend selbst, weil ich es ablehnte, viel Geld mit Marketing machen zu wollen.“

Als diese Unzufriedenheit größer wurde, haben wir versucht, das Ganze anzugehen und beruflich in der Agentur etwas zu ändern. Wir nahmen uns vor, nur noch NGOs und gemeinnützige Organisationen zu bewerben. Das klappte auch zunächst, jedoch mussten wir feststellen, dass sich damit kein Geld verdienen lässt, da es in der Branche üblich ist, Kommunikationsdienstleister kostenlos für sich arbeiten zu lassen.

Infolgedessen konzentrierten wir uns darauf, im Bio-Sektor Kund*innen zu gewinnen. Jedoch ließ sich auch daraus kein Geschäftsmodell bauen, da wir zu wenig Zulauf bekamen und immer wieder Aufträge konventioneller Unternehmen annehmen mussten. So habe ich noch 3-4 Jahre weitergearbeitet und konnte eine Zeit lang zwar mein schlechtes Gewissen etwas beruhigen, aber es änderte sich nichts an meiner beruflichen Unzufriedenheit. Diese wirkte sich auch zunehmend auf mein Privatleben aus. Wenn man als Selbstständiger viel arbeitet, aber nicht komplett hinter dem Zweck der Tätigkeit steht und dieses einem zunehmend weniger Freude bereitet, ist das eine schlechte Kombination für das eigene Wohlbefinden. Irgendwann kam dann der Punkt an dem mir klar wurde, dass ich so nicht weitermachen kann und sich etwas ändern muss.

Was hast du dann geändert?

Ich habe mir 9 Monate Auszeit vom Job genommen und diese Zeit in Spanien verbracht. Persönlich hat mir diese Zeit sehr gutgetan. Ich habe mich mit dem Thema der Achtsamkeit auseinandergesetzt und verstärkt in mich reingespürt, um mich mehr mit meiner Unzufriedenheit auseinanderzusetzen. So habe ich festgestellt, dass ich mit mir selbst persönlich im Reinen bin und eigentlich ein sehr zufriedenes Leben führen kann, es mir aber an Ideen fehlt, wie das in Verbindung mit der eigenen Firma funktionieren kann.

Eine Überlegung war, meinen Beruf nach meinem Hobby, dem Motorradfahren, auszurichten und mich in diesem Bereich nach einem neuen Job umzusehen. Als ich wieder nach Deutschland kam, erklärte ich meinem Mitgründer Thomas, dass ich zwar die Buchhaltung der Firma übernehmen könnte, aber mir nicht vorstellen kann, wieder fest einzusteigen. Dann stand im April 2019 ein folgenreicher Purpose Workshop an, den Thomas initiierte und ein gemeinsamer Freund von uns leitete.

Also hat ein Workshop dazu geführt, dass du wieder in deine eigene Firma eingestiegen bist?

Es war jetzt nicht so, dass ich sofort danach angefixt war, aber es ist erstaunlich, was dieser Workshop bei uns anstoßen konnte. Wir haben uns zunächst überlegt, was unser persönlicher Auftrag ist und was wir auf der Welt verändern wollen. Darauf aufbauend haben wir unsere unternehmerische Bestimmung erarbeitet und Steffen Stäuber, der den Workshop geleitet hatte, animierte uns dazu, dieser nachzugehen. Das hat bei mir zu einem Umdenken geführt. Erstmals ist mir klar geworden, dass ich ja meine eigene Firma dazu nutzen kann, etwas in der Welt zu verändern.

„Wir wollen nicht nur Kommunikations-Design machen, sondern Zukunft gestalten.“

Marketing-Kommunikation muss nicht an sich schlecht sein, sondern kann auch dazu führen, die guten und zukunftsgerichteten Firmen bekannter zu machen. Im Nachhinein klingt das trivial, aber ohne die Hilfe von Steffen wäre ich nicht auf diese Idee gekommen.

Im Anschluss haben wir uns zusammengesetzt und erstmals ein Ziel für die Firma festgelegt: Wir wollen nicht nur Kommunikations-Design machen, sondern Zukunft gestalten und mit unseren Mitteln Firmen bekannter und sichtbarer machen, die selbst etwas verändern. Dieses Ziel haben wir dann verbalisiert in unserem Claim ‘We Design Greater Tomorrows‘.

Steffen Stäubers Agentur Create Meaning findet ihr hier.

Inwiefern hat sich dadurch eure Arbeit verändert?

Zunächst brauchten wir mit unserer Neuausrichtung einen ersten Auftrag. Glücklicherweise konnten wir mit Steffen zusammen direkt die international agierende Impact-investment Firma Sagana für uns gewinnen. Ähnlich wie bei uns, hat er die Arbeit mit einem Workshop begonnen, in dem er mit den Verantwortlichen den Unternehmenssinn der Firma genau definierte. Im Anschluss bauten wir gemeinsam das komplette Corporate Design der Firma auf und kreierten das Einstiegsvideo für die Website.

Durch diesen ersten Auftrag hat sich auch unsere zukünftige Arbeitsweise verändert dahingehend, dass wir am Anfang einer Zusammenarbeit immer erst den Unternehmenszweck einer Firma definieren und als Ausgangspunkt für das Design und kommunikative Maßnahmen verwenden.

Zur selben Zeit bin ich auf das Impact-Hub in Stuttgart aufmerksam geworden, einem Co-working Space für sinnorientierte Unternehmen und habe festgestellt, dass das  der optimale Arbeitsort für unsere Firma wäre. Nun sind wir seit über einem Jahr dort ansässig und empfinden diesen Ortswechsel als wahnsinnige Bereicherung. Wir haben das Gefühl am richtigen Ort zu sein, umgeben von jungen, innovativen Leuten, die alle versuchen, mit ihrer Arbeit etwas Positives für die Zukunft zu gestalten.

Wieso ist es euch im ersten Versuch, vor deinem Sabbatical, nicht gelungen, nur ethisch vertretbare Kund*innen zu bewerben und euch damit durchzusetzen?

Ich glaube was uns vorher gefehlt hat, war eine konkret formulierte Grundausrichtung unserer Firma. Damals konnte man noch nicht sehen, was wir eigentlich erreichen wollen, da wir es selbst auch noch nicht genau wussten. Somit waren wir für die entsprechenden Kundengruppen auch nicht attraktiv genug, da wir keine klare Vision verkörperten. Seit unserer Neuausrichtung haben wir sowohl nach außen hin eine völlig neue Strahlkraft, als auch nach innen ein neues Gemeinschaftsgefühl geschaffen. Das ist schon erstaunlich, was so eine konkret formulierte und visualisierte Zielsetzung erreichen kann. Aber auch der Ortswechsel ins Impact-Hub hat dazu geführt, die richtigen Kund*innen zu erreichen.

Was hat sich seit eurer Neuausrichtung für dich persönlich geändert?

Der größte Unterschied ist, dass mich meine Arbeit wieder zufriedenstellt, ich abends nach Hause komme und weiß, dass ich heute etwas Sinnvolles getan habe. Mittlerweile kann ich mir unseren Erfolg eingestehen und sehe, dass es in Ordnung ist, wenn wir Erfolg haben, solange wir mit unserer Tätigkeit die Dinge in die richtige Richtung lenken.

Glaubst du, eine solche Neuausrichtung könnte in jedem Unternehmen gelingen?

Ich denke bei vielen Unternehmen gibt es einiges an Spielraum, der genutzt werden könnte, um für eine lebenswerte Zukunft zu arbeiten. Dass es sich für jeden Betrieb lohnen würde, einer verstärkten Sinnorientierung nachzugehen, davon bin ich überzeugt. Die in Großkonzernen verbreitete Art, ständig von den Aktieneigner*innen zu mehr Rendite getrieben zu werden, frustriert die Mitarbeitenden auf Dauer wahnsinnig. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es jemandem Spaß macht, schlechtere Produkte zu produzieren, nur um mehr Rendite zu erzielen, auch den Chefs der Unternehmen nicht. Man hat sich nur daran gewöhnt, obwohl es völlig absurd ist.

Bei kleineren Unternehmen sind die Entscheidungsträger*innen häufig so in das Tagesgeschäft eingebunden, dass kaum Zeit bleibt, sich Gedanken zur Vision und der Ausrichtung des Unternehmens zu machen. Ich kann da nur jeden und jede animieren, zurückzutreten und sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Insgesamt glaube ich zu spüren, dass da gerade viel in Bewegung gesetzt wird und wenn dem so ist, kann sich in den nächsten Jahren viel ändern, zumindest hoffe ich das sehr.

Über die Person:

Lars Schönbörner, Jahrgang 1976, ist Mitinhaber der Agentur MAJORMAJOR Design Co. mit Sitz in Stuttgart. Seit 2003 ist er selbständig und im Unternehmen zuständig für Strategie und Beratung. Außerdem ist er überzeugter Anhänger der Gemeinwohlökonomie und lässt sich derzeit zum Gemeinwohlberater ausbilden.